willkommen bei uns 

Derzeit stecken wir mitten im Van-Ausbau und in den Vorbereitungen für unsere große Europareise,

da wir uns entschieden haben nicht nur Urlaube im Camper zu verbringen, sondern unser zu Hause aufzugeben und, bevor wir uns irgendwo anders ein Neues suchen, für ein ganzes Jahr Vollzeit auf Reisen zu gehen.

Mehr über uns, unseren Busausbau, Reisen und Erlebnisse erfährst du hier:

 

 

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BlogArtikel

Februar 2025

In Kartons durch die Zeit reisen

Lange bevor wir uns für ein Familienvanlife entschieden haben, war der Plan unser Haus, 1925er Baujahr, nach unseren Vorstellungen möglichst ökologisch umbauen zu lassen. Genau hätte dies bedeutet: neuer Dachstuhl, neue Ziegel, Ausbau des Dachs, neue Zwischendecken, neue Böden, eine Umgestaltung der Raumaufteilung, Ausbau der Gasheizung und Einbau von Fußbodenheizungen in Verbindung mit einer Wärmepumpe sowie neue Fenster und auch die Bepflasterung des Hofes und der Wege und Einfahrt auf dem Grundstück. Da bereits im November 2023 die Gasheizung ausgestiegen ist, lebten wir seitdem schon in unserem Nebengebäude, das wir 2022 nach vier Jahren Umbau in fast kompletter Eigenleistung mit Unterstützung von Freund*innen und Familie fertiggestellt hatten. Lediglich Dinge wie Sanitär, Fassade, Trockenbau und Fliesen haben wir an Profis abgegeben. Wir wussten also was es in kleinerem Umfang bedeutet, beispielsweise einen Dachstuhl zu bauen, ein Dach zu decken, Wände zu mauern und ein Holzständerwerk zu stellen oder zu dämmen, Fenster einzubauen und Stromkabel zu verlegen. Vor allem bedeutete dies eine Menge Zeit zu investieren und fast keine mehr füreinander zu haben. Aus diesem Grund war für uns klar, dass wir den Umbau nicht in Eigenleistung machen werden. Jedoch trauten wir uns zu, das Entkernen zu übernehmen und so auch ein wenig Geld einzusparen. Dementsprechend begannen wir im Winter 2023 das Haus zu entkernen, sprich Heizungsrohre und alte Heizkörper rauszuschneiden, Wände abzureißen, den Dachstuhl freizulegen, Türen auszubauen aber vor allem auch alles, was wir in unserem neuen Haus nicht mehr sahen, auszusortieren, wegzugeben, zu spenden und zu verkaufen. Zwischen Weihnachten und Neujahr machten wir mit unseren lieben Freund*innen aus der Nachbarschaft einen Hausflohmarkt, der sogar erfolgreicher war als erwartet. Seitdem haben wir das ein oder andere immer wieder zum Verkaufen bei gängigen Verkaufsplattformen hochgeladen. Ich weiß nicht, wie es anderen so ergeht, aber bei uns ist da leider eine ziemlich große Diskrepanz zwischen der Vorstellung wie wir ganz einfach mal Dinge zum Verkauf reinstellen und der tatsächlichen Umsetzung dessen. Also stehen auch immer noch Kisten mit aussortierten Sachen herum und warten darauf verkauft zu werden. Weshalb wir jetzt, mit der Hoffnung dann nur noch ganz wenig hochladen zu müssen, nochmal im Frühling einen erneuten Flohmarkt, bei uns auf dem Hof planen. Denn es blieb nicht nur bei einem Mal aussortieren, es folgten noch drei weitere Male, bei denen wir jeden Umzugskarton, den wir befüllt hatten, noch einmal auf machten und genau unter die Lupe nahmen. Da wir das nicht innerhalb von drei Wochen gemacht haben, sondern immer ein halbes Jahr dazwischen lag, war genügend Zeit da, um manche Dinge komplett zu vergessen oder festzustellen, dass man sie echt nicht mehr braucht. Bei denen war es dann auch ziemlich klar, dass sie weichen dürfen. Und bei anderen Sachen ... da halfen uns die Mäuse. Einen Teil unserer Kartons hatten wir nämlich in der Garage von unseren lieben NachbarInnen unterstellen dürfen. Wie wir nach einem Jahr Einlagerung feststellten, war oder ist die Garage Lebensraum mindestens einer Maus, die sich munter durch unser Hab und Gut geknabbert hat. Bei einigen Sachen hat’s kurz geschmerzt. Allerdings war die Erleichterung am Ende dann aber doch größer, da wir nach der gesamten Aussortier - Aktion nochmal um viele Kisten leichter waren. Es fühlte sich an wie zwischen zwei Welten hin und her zu reisen. Schließlich hatten wir die Kisten gepackt, aus unserem Haus rausgetragen und dort in die Garage mit dem Gedanken eingeräumt, sie nur wenige Monate später wieder in dasselbe Haus, nur in anderem Look reinzutragen und dort auszuräumen. Und dann standen wir dort, nahmen die Kisten in die Hand und es gab kein Bild in unserem Kopf von dem Haus, in dem die Dinge wieder ihren Platz finden würden. Dieser Gedanke ließ uns Aufregung und Freude fühlen. Denn, wenn nichts sicher ist, ist einfach alles möglich. Und mit dem Wissen und dem Blick in die Vergangenheit wurde uns noch einmal klar, dass wirklich viel passiert ist - in uns, an uns und um uns herum - seitdem wir diese Kartons dort gestapelt hatten. Und wieder waren wir froh, dass alles so gelaufen ist, wie es gelaufen ist und wir uns getraut haben neue Wege gehen zu wollen. Es gab einige Momente in den letzten Jahren, in denen wir, sowohl einzeln für uns als auch gemeinsam, ehrlich nicht mehr weiter wussten. In den Situationen selbst überwältigten uns viel große und unangenehme Gefühle. Doch wir schafften es immer wieder mit Abstand drauf zu schauen und das Vertrauen dahingehend aufzubringen, dass das, was wir in der Gegenwart erleben für irgendetwas in der Zukunft gut sein wird. Und genau dieses „irgendwas“ konnten wir in diesen Momenten des erneuten Anfassens der Kartons erleben.

Beispielsweise war das Kaputtgehen unserer Heizung im Haupthaus zum Zeitpunkt des Geschehens erstmal total unglücklich. Es war bereits abends, ich hatte mehrere Tage mit Sprotte allein vor mir, weil Alex am Tag drauf auf Dienstreise fuhr und der Umzug in das Nebengebäude für Sprotte ein Wechsel der gewohnten Umgebung war. Was zu diesem Zeitpunkt noch eine große Herausforderung für das kleine Köpfchen aber auch für mein erwachsenes Hirn darstellte. Ich musste mich drauf einlassen und irgendwie mit Kleinkind in der Trage einen kleinen Umzug stemmen. Schlussendlich war es für mich in dem kleinen Haus mit offenem Wohn- und Essbereich deutlich leichter den Alltag mit gerade Laufen lernendem Kind zu gestalten. Und aufs große Ganze bezogen war der Umstand in ein kleineres Haus ziehen und sich somit auf weniger Dinge beschränken zu müssen, ja gewissermaßen auch der Beginn einer Probephase für minimalistisches Leben auf kleinem Raum. Wir stellten fest, dass wir viel weniger Platz zum Leben benötigen und uns auch um weniger Raum kümmern wollen. Und das Aussortieren in mehreren Schritten hat uns wirklich sehr geholfen herauszufinden, was wir in unserem Alltag brauchen und was wir nur besitzen, weil wir bis jetzt den Platz für die Aufbewahrung hatten.

Und wenn wir ehrlich sind, passt das, was uns wirklich wichtig ist, uns ausmacht und erfüllt fühlen lässt vielleicht in keinen Karton, sondern wohnt allein in uns drin und wir müssen das Vertrauen in die Berechtigung der eigenen Herzenswünsche festhalten und dann den Mut aufbringen dahingehend Entscheidungen für uns zu treffen.

 

 

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Januar 2025

wie wir zum wu kamen

Dies ist die Weitererzählung unseres ersten Blogartikels, zu dem du kommst, wenn du auf den Button klickst. 

 

Es stand nun also für uns fest: Ein knappes Jahr Zeit, ein Referendariat beenden, ein Jahr Papa-Kind Zeit im noch-Zuhause, ein Auto (finden und) ausbauen, ein Haus verkaufen und eine rieeeesige Vorfreude über diesen Zeitraum aushalten. 

Für uns war ziemlich schnell klar, dass unser neues Haus auf Rädern in einem Mercedes Sprinter entstehen soll. Noch ohne Kind war unser echtes Traumauto für einen Ausbau ein VW T5. Klar, auf kleinem Raum schlafen und durch die Gegend Reisen haben wir in Mikrotrips und dem bis jetzt wunderschönsten Urlaub - einem Roadtrip durch Süddeutschland in einem Skoda Oktavia - erprobt und können wir, aber zu dritt ohne Stehhöhe in unterschiedlichen Klimazonen und mit Kinderwagen etc. schien uns das dann doch etwas zuuuu eng. 

Also begannen wir groß zu denken. Wie wahrscheinlich alle mit dem Plan ein Fahrzeug auszubauen, verschafften wir uns auf den typischen Automobil-Websites erst einmal einen Überblick über die unterschiedlichen Modelle, die Zustände, in denen Sprinter angeboten werden und den damit verbundenen Preisspannen. Jede freie Minute nutzen wir, um über das Auto und den Ausbau zu sprechen. An einem Abend gingen wir zum Einschlafen mit unserer Sprotte in der Trage spazieren, als wir zur Frage kamen, wie unser Auto eigentlich heißen soll. Sprottis Antwort war: „wuuu“. Das war damals das Wort, welches synonym für fahren, drehen und bewegen in Verbindung mit Fahrzeugen genutzt wurde. Wir schauten uns an, lachten, stellten fest, dass das ja schon total passt und beschlossen mit den Worten „warum nicht“, dass das der Name unseres Autos sein wird. Es passt ja auch ziemlich gut. Wir werden damit fahren, unser Leben wird sich einmal komplett drehen und was wir ja auch irgendwie Leben ist in Bewegung zu bleiben. Ein Name, der anfangs ehrlich gesagt noch etwas ungewohnt war, wurde schnell in unseren Sprachgebraucht implementiert. Also gingen wir jetzt nicht mehr nur auf die Suche nach irgendeinem Auto, sondern auf die Suche nach unserem wu und spezialisierten die Suche nach einem Gefährt. Wir haben uns nach der Marktrecherche entschieden, dass wir über das Junge Sterne Programm von Mercedes Benz einen Sprinter suchen und kaufen wollen. Wir waren zwar vertraut mit Gebrauchtwagen - hatten beide schon gebrauchte Autos. Allerdings waren die meist in unseren Familien ausrangiert worden oder dienten als Dienstwagen in Firmen, in denen Familienmitglieder arbeiteten. Es war also vom Gefühl her immer `ne ziemlich sichere Sache. Im Fall des Kaufs eines Gebrauchtwagen, ohne verlässliche Infos über den Zustand und Garantie, hatten wir eher Bauchschmerzen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass wir damit eine große Reise mit Kind machen wollen. Also suchten wir über die jungen Sterne einen Sprinter. Uns war nicht von Beginn an klar, welches der vielen Modelle wir denn nehmen werden, nur, dass wir einen ab 2018er Baujahr (907) und mit Hochdach haben wollen, damit wir entspannt drin stehen können. Zusätzlich war uns wichtig, dass wir auf gängigen Parkplätzen von der Länge in eine Parklücke reinpassen. Zumindest dann, wenn es noch einen Grünstreifen hinter dem Bordstein gibt. Auch, wenn ein Transporter mit Überlänge für uns vom Wohnraum zu dritt deutlich komfortabler wäre, wog das Argument mit den Parklücken mehr. Unser Kompromiss war dann die Länge zwei anstelle der eins und so kristallisierte sich heraus, dass wir nach einem Sprinter im L2H2 Segment schauten. Aber auch wenn man das weiß, sind da noch die Zahlenkombinationen, die Infos über das zulässige Gesamtgewicht und die Leistung des Autos beinhalten. Und da ging es bei uns auch hin und her zwischen 314 und 317. Ehrlicherweise sind wir am Ende beim 317er hängen geblieben, weil es ein Angebot gab, das für uns sowohl vom Preis als auch von der Ausstattung gepasst hat. 

Dieser Prozess vom ersten Suchen, zum Finden bis zur tatsächlichen Abholung hat knap 3 Monate gedauert. Die größte Zeit des Wartens war die vom Interesse am Fahrzeug bekunden bis zur Abholung. Da haben wir hauptsächlich … einfach … nur … gewartet. Das hat sich wirklich sehr gezogen und das auszuhalten hat viel Kraft gekostet, uns aber auch gezeigt, dass wir uns in diesen mühsamen Situationen echt gut auf uns verlassen können. Irgendwie schafft immer einer von uns nicht in der Frustration zu versinken und uns an anderer Stelle wieder in die Handlung zu bringen. Haben dann zum Beispiel angefangen unser Holz aus unserem Holzlager zu schleifen und zuzuschneiden, damit wir endlich mal wieder was mit den Händen anstatt mit dem Kopf umsetzen konnten. Denn, wenn die Pläne nicht umgesetzt werden können und im Kopf bleiben, fühlt sich das für uns an wie stehen bleiben, auch wenn wir natürlich in der Planung faktisch immer wieder weiter gekommen sind. Und da wären wir schon beim nächsten Learning: Pläne sind auch ein Prozess. Manchmal ist es gut warten zu müssen, weil Ideen Zeit bekommen sich zu entwickeln und zu wachsen. Manches was uns am Anfang unserer Überlegungen total sinnvoll und innovativ erschien, war drei Recherchen später schon gar nicht mal mehr sooo gut. Jetzt in der Retrospektive sind wir als ungeduldige Menschen, die am liebsten Sachen, die sie gut finden, sofort umsetzen wollen, doch sehr dankbar für die Wartezeit, da wir - wie sollte es auch anders sein - zum jetzigen Zeitpunkt, abgesehen vom Standort des Betts - die Aufteilung des Innenraums komplett verändert haben. Dieser Weg wurde uns dank der vielen Menschen, die schon ihre Autos zum Camper umgebaut haben und den Mut hatten ihre Erfahrung irgendwo im Internet zu teilen, etwas erleichtert. So haben wir viele Optionen gesehen und konnten daran immer wieder mit unseren Vorstellungen, dem Einsatz und dem Budget abgleichen, was wir übernehmen, ähnlich gestalten oder ganz weglassen wollen.

In den letzten Tagen des Oktober 2024 war es dann endlich soweit. Voller Vorfreude machten wir uns mit dem Zug auf den Weg zu Alex' Eltern nach Bamberg, damit Alex am nächsten Tag unser Auto in Augsburg abholen konnte. Wir waren so aufgeregt. Alex hat auf dem Rückweg zu Sprotte und mir noch einen Kindersitz aus einer Kleinanzeigen Anzeige eingesammelt und so konnten wir, nachdem Alex zurück in Bamberg war, sofort die erste kleine Fahrt machen. Musste danach beim Anblick unseres wus kurz weinen vor Glück, weil die Erfüllung unseres Wunsches jetzt immer greifbarer wurde. Sprotte war auch nur noch schwer aus dem Kindersitz rauszubekommen und wir hörten an diesem Tag noch sehr oft die Worte „Auto wu“. Zum Glück wurde der Wunsch schnell erfüllt und es dauerte nicht mal 24 Stunden und wir stiegen voller Glücksgefühle wieder in unser wu ein und tuckerten zurück nach Berlin. 

 

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Ein Gedanke zwischendurch

Als ich Alex dieses Bild zeigt habe, das ich am letzten Sonntag beim Joggen gemacht habe, ist uns der Gedanke gekommen, dass wir uns mit dem Abschied von unserem jetzigen Haus auch von all den Wegen, die wir im Alltag gehen, all den Bildern, die wir dabei immer wieder sehen, all den Menschen, die unsere Nachbar*innen im engen und im weitesten Sinne sind, genauso den wöchentlichen oder täglichen Routinen in unserem zu Hause oder unserem Stadtteil, aber und auch von der Perspektive, die wir auf die Stadt von hier haben, verabschieden werden. Jeder Tag ist bis zum Moment im Sommer, in dem wir losfahren, der Letzte hier in Bezug auf all diese Dinge. Der Gedanke wirkte einerseits wahnsinnig befreiend auf uns, machte mich aber gleichzeitig auch für den kurzen Moment des Denkens sehr wehmütig. Plötzlich ploppten so viele Erinnerungen bei mir auf und ich sah Bilder aus den letzten Jahren durch meinen Kopf ziehen. Erstaunlicherweise erschienen vorrangig welche von Momenten, in denen wir lachten, obwohl es mir eigentlich den Großteil der Zeit gar nicht mal so gut ging. Na klar gab es die schönen, leichten Momente, die an der Oberfläche immer mal wieder auftauchten, aber eben viel mehr herausfordernde Zeiten, in denen mit der Heilung vieler Verletzungen eine Menge Trauer, fehlende Sicherheit und Anstrengung tief wirkten. 

Und in diesem Moment kam es mal wieder zum Vorschein, das Phänomen der Nostalgie.

Erst dieses mir darüber bewusst werden, klärte meinen Blick auf die Vergangenheit und bei dem Gedanken an die Zukunft zeigte sich ein großer Wunsch. Nämlich, dass, wenn ich in ein paar Jahren unser inneres Fotoalbum wieder aufschlage, gern Bilder von uns sehen würde, auf denen wir uns wohl, erfüllt und sicher fühlen und unser Lachen dann nicht nur eine Momentaufnahme im Außen ist, sondern aus unserem Inneren, in dem es tief verwurzelt ist, stammt. Damit ich mich dann zur Einordnung nicht wieder auf die Nostalgie besinnen muss, die vieles verklärt, sondern diese Bilder einfach so für sich stehen bleiben können, weil es ganz ehrlich eine schöne Zeit war. 

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Der Weg zur Entscheidung

Im letzten Sommer haben wir nach mehreren Jahren gemeinsamer großer Sehnsucht nach einem selbst gestalteten zu Hause auf Rädern mit einem Alltag, der von großer Einfachheit geprägt ist genau dafür und gegen den bestehenden Plan eines Hausumbaus entschieden. Eine neue Situation hat alle Ketten im Kopf gesprengt und den Mut für Veränderung herausgefordert. Ich war beruflich zu diesem Zeitpunkt gerade zu einem Drittel mit meinem Referendariat fertig und hatte darin noch ein Jahr vor mir, unser Haus stand kurz vor der Sanierung, für die wir einen zweiten Kredit aufnehmen wollten. Der Kurs war eigentlich auf „für immer“ in diesem Haus bleiben und es jetzt so für uns bauen, wie wir es haben möchten, ausgerichtet. Mit dem Entkernen hatten wir schon begonnen und der Prozess war schon fast abgeschlossen. Der Kreditvertrag lag schon eine Woche bereit, ohne Unterschrift drunter - Der Architektenvertrag war bereits abgeschlossen.

Als der Tag mit der Entscheidung kam, war das irgendwie plötzlich alles egal. Es fühlte sich so richtig an, so logisch und als würden wir nur gewinnen können. Ein Haus, einen Garten, ein Nebengebäude verkaufen, in das man schon viel Zeit investiert hat, für uns stand da nur ein großes JA! Es war ausgesprochen und ab dem Moment gesetzt. So viel Freiheit durchströmte unsere Körper. Kein Zurück mehr, zu viel hätten wir hergeben müssen. Die Vorstellung doch da bleiben zu müssen, wieder den alten Plänen zu folgen erzeugt in mir noch jetzt eine Schwere im Brustkorb und zeigt mir immer wieder wie viel daran doch irgendwie gar nicht ganz tief aus uns heraus kam. Klar wollen wir auch noch immer nach unserer Reise wieder in einem festen Zuhause wohnen - Haus oder Wohnung - für uns ist beides denkbar. Aber das Zuhause soll nicht mehr das Hauptaugenmerk unseren ganzen Lebens und Erlebens sein und vor allem nicht der Grund, warum wir eine gewisse Summe X verdienen müssen, damit wir die Kredite bedienen können, um weiter in unserem Zuhause wohnen zu können. Wir beide haben in den letzten Jahren kein gesundes Verhältnis zu unserem Job gehabt. Das Arbeiten war kurz gesagt geprägt von Perfektionismus, Suchen nach Anerkennung und vor allem einer Sache : regelmäßige tiefe Erschöpfung. Alex arbeitete so viel, dass er regelmäßig zwischen 150 und 200 Überstunden angehäuft hatte. Ich trage seit Jahren das Gefühl in mir, vielleicht nicht für den Beruf der Lehrerin gemacht zu sein. Viele Interaktionen, ständige Aufmerksamkeit, niemals abschalten können, stundenlanges Verarbeiten und reflektieren erlebter Situationen, ein Arbeitstag, der aufgrund von Vor- und Nachbereitungen gefühlt niemals endet. Im Berufseinstieg, fühlt sich Teilzeit an wie zwei Vollzeitjob, weil jede Unterrichtsstunde ein erstes Mal ist. Niemals weiß man, ob der eigene Plan aufgeht, welche Konflikte man erlebt, wie oft man seine eigene Grenze verteidigen muss, wie stark und wie oft die eigene Selbstregulationsfähigkeit heute herausgefordert wird. Wenn ich Vollzeit arbeiten muss, nur um wohnen zu können, obwohl mein System das gar nicht leisten kann, dann ist das nicht gesund und vor allem ist es absolut nichts was ich anstrebe. No way, denken wir jetzt. Doch das auch erst seitdem wir uns erlauben das zu denken und zulassen können zu fühlen, weil wir uns die Freiheit dafür herbei entschieden haben.

Und dafür bin ich uns so dankbar, dass wir genau in dem Moment, in dem wir springen mussten, gesprungen sind uns getraut haben neu zu denken. Vor allem haben wir diese Entscheidung für uns und allein getroffen. Wir haben nicht zugelassen, dass uns jemand durch seine Emotionen lenkt, durch den großen Wunsch uns als Freunde*innen an Ort und Stelle behalten zu wollen. Erst nachdem wir den Mut hatten mit uns ehrlich zu sein und dadurch fühlen konnten was der Gedanke mit uns macht, welches Feuer dieser in uns zündet, wie viele Ideen und leidenschaftliche Kreativität plötzlich wieder in uns arbeitete, wussten wir, unsere Entscheidungen treffen wir mit Bauch, Kopf und Herz und jetzt können so viele Gedanken, Gefühle und Sorgen von anderen Menschen auf uns einwirken und wir werden niemals in irgendeiner Art und Weise zu irgendeinem Moment anfangen zu zweifeln.

Die Veränderung und alle Ideen, die wir für die kommenden Jahre haben sind gerade unglaublich erfüllend. Vor allem, weil sie situativ angepasst sind und nicht etwas ist, was in der Zukunft umgesetzt wird, weil es irgendwann mal in der Vergangenheit beschlossen wurde. Das ist etwas Großes, was wir gelernt haben. Wir dürfen uns in gewissen Abständen immer mal wieder fragen, ob das, was wir mal geplant haben immer noch ein gutes Gefühl in uns auslöst oder wir eigentlich etwas anderes brauchen. Bei der Frage an uns selbst kam jedenfalls im Sommer raus, dass Alex mehr Familienzeit haben möchte und die Arbeit erstmal nur noch einen mini kleinen selbst eingeteilten Teil einnehmen soll und so beantragte er für die nächsten drei Jahre Elternzeit und hielt die Bestätigung dafür kurze Zeit später in den Händen. Da wir unser Grundstück und Haus verkaufen wollten, brauchten wir keinen zweiten Kredit mehr und so reicht mein Gehalt für uns zum, Leben aus. Das Ref will ich noch zu Ende machen, an manchen Tagen auch gerne mal alles hinschmeißen, aber im Großen und Ganzen ist es mir doch ein Bedürfnis das jetzt durchzuziehen.

Wenn das durch ist wollen wir eine einjährige Europareise mit einem selbst ausgebauten autarken Camper machen. Dafür haben wir uns einen Sprinter ausgesucht, Hochdach, Standard Länge. Für den Ausbau brauchen wir eh noch Zeit, was den Plan das Ref auf jeden Fall noch zu ende zu machen, untermauert hat. Und dann sind wir erstmal Nomaden. Schreibt sich super. Mir gefällt der Plan vier Monate nach dem Schmieden noch außerordentlich gut. Ich bin sehr gespannt was wir so erleben werden. Wo wir verzweifeln, weinen werden - vor Frustration, Freude, Trauer, Wut - was und zum schmunzeln, kichern und Lachen bringen wird, worüber wir uns streiten, wo wir am liebsten nicht mehr weg wollen, wo wir auf keinen Fall länger bleiben wollen und wie wir immer wieder zurück blicken werden, jeden Tag neu, auf den Vergangenen und voraus schauen auf den Kommenden. Eins steht fest, wir werden gemeinsam Wachsen. Jeder und jede für sich und aber vor allem: zusammen als Familie.

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